Lange Straße 25

Dannenberg
Lange Straße 25
Datum: PSt. 9.8.1912

Standort des Fotografen: Etwa Ende der Straße Mühlentor. (Rechts Ecke des Hauses Mühlentor 15.) Daran anschließend erkennbar das Geländer der Brücke über den Wallgraben, der links (nicht im Bild) direkt am Gebäude der Brauerei Windel entlang fließt.
Die Hausnummern der Langen Straße kommen rechts vom Markt bis Nummer 24 und zählen links weiter ab Nummer 25 zurück bis zum Beginn der Straße Am Markt.

Peter Krügers Archivrecherche:
Lange Straße 25. Alte Haus Nr. 58/59/60

Erbaut 1806. Auf den Grundstücken der alten Haus Nr. 58, 59, 60 entstand 1838 ein dreistöckiger, traufenständiger Fachwerkbau. Er war mit 15 Fenstern an der Straßenseite das damals größte Wohnhaus in Alt Dannenberg. Das Haus ist am 24.9.1976 abgebrannt und das jetzige Haus entstand 1978.

1930 Brauerei Windel
Wohnhaus. Brauhaus mit Anbau. Kesselhaus mit Schornstein. Viehhaus. Scheune Abziehraum. Eis- u. Lagekeller. Schwenkhalle. Waschhaus

Alte Haus Nr. 58
1650 Hans Möllenbek, vorher Bernd von der Wede
Standort beim Eintritt des Drawehner Tores: Eigentümer
1670 Schultzen Erben, ½ Pflichig. Bewohnt Gärber Hans Mühlenbeck und Jürgen Mahneke, Tagelöhner , gekauft von Bürgermeister Witten, jun..
Möllenbeck, Joachim Andreas, Senator, welcher Cons. honor.

Gebäudebeschreibung zur Brandversicherungsgesellschaft im Jahre 1753:
Joachim Andreas Möllenbeck, Eine Wohnhaus 23 Fuß 7,13m breit, 47 Fuß 14,57m lang, 3 Etagen 6 Fach 7 Verbind. A Hintergebäude 11 Fuß 3,41m breit, 28 Fuß 8,68m lang, 2 Etagen 4 Fach 5 Verbind. B Scheune 29 Fuß 8,99m breit, 41 Fuß 12,71m lang, 2 Etagen 7 Fach 8 Verbind. Stall 12 Fuß 3,72m breit, 30 Fuß 9,30m lang, 1 Etage 6 Fach 7 Verbind. C Das Brauhaus 35 Fuß 10,58m breit, 40 Fuß 12,40m lang, 2 Etagen 7 Fach 8 Verbind.
1761, 1774 Joachim Andreas Möllenbeck, sen.
1785, 1796, 1800 Conrad Möllenbeck
Das Haus ist 1805 abgebrannt.
Rezess 1859 Nr. 58 und 59 Eigentümer: Bürger Windel, Brauer

Alte Haus Nr. 59
1650 Caspar Thiele, Witwe, vorher Joachim Frieberg
1670 Hans Kordes, Krähmer, Vollpflichtig, bewohnt zugleich dessen Sohn Jürgen Kordes, Näteler
Gebäudebeschreibung zur Brandversicherungsgesellschaft im Jahre 1752:
Conrad August Thiele, Ein Wohnhaus 23 Fuß 7,13 breit, 51 Fuß 15,81m lang, 3 Etagen 7 Fach 8 Verbind. Anbau 12 Fuß 3,72m breit 14 Fuß 4,34m lang, 1 Etage 2 Fach 2 Verbind. A Hintergebäude 16 Fuß 4,96m breit, 25 Fuß 7,75m lang 1 Etage hoch 3 Fach 4 Verbind.
1766, 1773, 1785, Conrad August Thiele
1796, 1800 Johann Ernst Thiele
1806, 14. Jan. Johann August Thiele, angenommen vom Vater Joh. Ernst,
1815 Johann August Thiele
Rezess 1859 Nr. 59 Eigentümer: Bürger Windel
1930 Brauerei Windel

Alte Haus Nr. 60
Gestmann, Johannius
Germann, Joachim, Grobschmied
Jürgen Schmedt, Grobschmied, voll Pflichtig
1670 Jürgen Schmedts Witwe, n. Pockraz, vorher Heinrich Höverland

1690 Jürgen Schmitt,Grobschitt, voll Pflichtig, nachher der Sohn August Elias Schmitt
1725, 4.März. Behrmann, Paul Johann. Ererbt vom Vater Heinrich Behrmann, Pb. 1737 p 262. Er vermacht seine Güter im Testament seiner Ehefrau Regine, geb. Niemann.
Möller, Otto, Hausbesitzer durch Kauf aus dem Behrmanns Konkurs
Meyer, Franz gekauft von Otto Möller
Meyer, Julius
1739, 13.Apr. Neustadt, Gustav Thomas, Grobschmied. Er ist verheiratet mit Regine, geb. Niemann, verwitw. Behrmann..
Gebäudebeschreibung zur Brandversicherungsgesellschaft im Jahre 1752:
nachher Christoph Pockranz, Ein Wohnhaus 25 Fuß 7,75m breit, 52 Fuß 16,12m lang, 3 Etagen 6 Fach 7 Verbind. Das Hintergebäude 12 Fuß 3,72m breit, 56 Fuß 17,36 lang, 1 Etage hoch 7 Fach 8 Verbind.
Niestadts Erben, Tochter Elisab. Anna Neustadt, Ehefrau des Joh. Joach. Leue, Schnackenburg, verkaufen das Anwesen 1756, 13. Mai Christoph Pockranz kauft das Hausgrundstück von Gust Thomas Niestädt
1766, 1782 Christoph Pockranz
1783, 29.Apr. Holzendorf, Carol Friedrich, gerichtlich abgetreten von Christ. Pockranz u. seinen Brüdern
1788, 8.Apr. kauft Praesent, Georg Conrad von Holzendorff das Hausgrundstück.
Joachim Andreas Present vom Vater Georg Conrad am 30. Jan. 1789 übergeben
1796, 1800 Joachim Andreas Present, Bäcker
1815 Joachim Andreas Präsent Erben
Rezess 1859 Eigentümer: Bürger Köster, Bäcker, nachher Kösters Witwe.
1953 Eigentümer: Buchtien, Charlotte, geb. Windel


Bericht auf zwei Seiten im Allgemeiner Anzeiger vom 16.5.1938

"Das Dannenberger Braugewerbe
Zweihundert Jahre Brauerei Windel

Am 16. Mai 1938 begeht die Dannenberger Brauerei Windel feierlich den Tag, an dem vor 200 Jahren auf ihrem Betriebsgrundstücke am Mühlentor das Hauptunternehmen der Familie, die Bierbrauerei, eröffnet wurde. Die Entwicklung dieses Betriebes 2 Jahrhunderte hindurch stellt ein Stück Stadtgeschichte von Dannenberg dar und rechtfertigt deshalb schon allein aus diesem Grunde, daß sie der Öffentlichkeit bekanntgegeben wird.

Der Brauerstand spielte von altersher eine besondere Rolle in Dannenberg. Obwohl die Brauer keine Zunft bildeten, genossen sie doch besondere Vorrechte. Eine neue Brauordnung war am 19. Mai 1654 erlassen, die durch Herzog Georg Wilhelm unter dem 6. September 1673 bestätigt war. Durch sie wurde allen Landleuten das Bierbrauen sowie die Herstellung und der Verkauf von Malz verboten. Der § 5 enthielt die Bestimmung, daß die unter das Amt Dannenberg gehörenden Krüger, wenn sie aus anderen Orten als Dannenberg Bier halten, „in des Rathes Strafe fallen“ sollten, ebenso die Bürger und Bauern, wenn sie zu Gildefeiern und Kindelbier und zu sonstigen Gelegenheiten in der Stadt oder auf dem Lande anderes Bier als Dannenberg‘sches trinken würden. Durch den § 10 derselben Brauordnung war eine weitere Schutzmaßregel getroffen: Wenn ein Brauer den Krüger eines anderen Brauers als Kunden annahm, ohne daß vorher die Forderungen des anderen Brauers beglichen waren, sollte er dieserhalb straffällig sein.

Schon früher, nämlich am 9. Mai 1611, war die Einfuhr fremden Bieres nach Dannenberg, namentlich des „Soltmann“, durch Verfügungen des Herzogs in Dannenberg verboten worden. Eine Zeit lang hatte der Gildemeister der Höckerqilde das Bier (Soltmann) für die Gildegelage regelmäßig von Salzwedel holen lasten. Es durfte, nach „alter Gewohnheit, Besitz und gegebener Gerechtigkeit von Fürsten zu Fürsten accise- und zollfrei“ eingeführt werden, im Jahre 1611 aber war diese Bewilligung, nachdem seit mehreren Jahren das Bier von Brauern aus Dannenberg bezogen, dem gnädigsten Fürsten aus dem Gedächtnis gekommen und wurde, als man wieder 30 Tonnen „Soltmann“ zu dem Gelage aus Salzwedel hatte kommen lasten, „wider alle Ordnung und Freiheiten“ 8 Tonnen beschlagnahmt und auf das Haus Dannenberg abgeführt. — Nach dieser Zeit wird wohl nur Dannenberger Bier getrunken worden sein. Bei Hervorhebung der alten Hochzeitsordnung hatte die Herzogin Sybilla ebenfalls in Erinnerung gebracht, daß nur einheimisches Bier genossen werden solle.

Nur der Rat besaß bezüglich seines Kellers ein besonderes Privileg. Als Herzog August am 7. Dezember 1638 der Stadt Dannenberg deren Privilegien und Freiheiten bestätigte, erkannte er ausdrücklich an, daß dem Rate die Gerechtigkeit zustehe, aus seinem Keller fremde Biere und Weine ausschenken zu dürfen. Gleichzeitig wurde das Versprechen gegeben, daß niemand sonst solche Rechte erhalten sollte.

Unter den Aufzeichnungen im Schloßregister von Dannenberg findet sich folgende Notiz: „Joachim Andreas Moellenbeck, Bürgermeister und Weißgerber, hat am 1. Januar 1738 angefangen, in Haus Nr. 58 Bier zu brauen“. Somit ist Joachim Andreas Moellenbeck der Begründer der heutigen Brauerei C. Windel.

J. A. Moellenbeck hatte 5 Söhne und 2 Töchter, von denen der 4. Sohn Konrad Erbe der von seinem Vater gegründeten Brauerei wurde. Einige der Söhne blieben in Dannenberg; sie betrieben Handel mit Kolonial- und Manufakturwaren, Leinen und Hopfen. Die Moellenbecks waren eine angesehene Familie, die es zeitweise zu großem Wohl-stande gebracht hat.

Konrad Moellenbeck setzte das Werk seines Vaters erfolgreich fort. Der von seinen Vorfahren ererbte solide kaufmännische Sinn half ihm, das väterliche Erbe zu festigen und zu erweitern. Im Juni 1804 starb Konrad Moellenbeck im Alter von 73 Jahren. Die Leitung der Brauerei hat dann seine sehr tatkräftige Ehefrau Margarete Elisabeth, geb. Schultz aus Wittingen, in die Hand genommen. Ihr und ihrer ebenfalls sehr tüchtigen Tochter Doris blieb es vorbehalten, die Brauerei in den äußerst schwierigen Zeiten der napoleonischen Bedrückung und der nachfolgenden Zeit der Befreiungskriege mit Erfolg weiter zu führen.

Doris Moellenbeck heiratete am 6. Juni 1806 den Landphysikus Dr. med. Christian Windel in Dannenberg, Sohn des Chirurgen Christian Windel aus Achim bei Bremen. Nur 7 Jahre dauerte diese Ehe. Im Jahre 1813 zogen Russen durch Dannenberg, die wohl auf dem Seewege über Rostock oder Lübeck gekommen sein mochten, um den Deutschen und Engländern bei der Unterwerfung Napoleons zu helfen. Auf ihrem Heerzuge schleppten sie das Lazarettfieber in Dannenberg ein, bei dessen Bekämpfung sich Dr. Windel ansteckte und 1813 verstarb. Dr. med. Windel soll auch Eleonore Prochaska (als „Jäger August Renz“ im Lützow‘schen Freikorps) im später Ripke‘schen Hause, Lange Straße, nach ihrer schweren Verwundung in der Schlacht an der Göhrde behandelt haben.

Aus der Windel‘schen Familiengeschichte wird noch überliefert, daß die „verbündeten“ Russen (Kosacken) beim Durchzuge durch Dannenberg die Häuser der Reihe nach geplündert haben. Einzig das Moellenbeck‘sche ließen sie unversehrt, da zufällig ein verstorbener Familienangehöriger auf dem Flur aufgebahrt lag; sie sollen sich bekreuzigt haben und sind darauf verschwunden.


Zu der unter dem 25. Dezember 1807 vom französischen Intendanten Belleville in den hannoverschen Landen ausgeschriebenen Zwangsanleihe hatte die Stadt Dannenberg 6600 Francs beizutragen. Dazu wurden nur die wohlhabenderen Bewohner herangezogen, an 1. Stelle Brauer August Moellenbeck, an 3. Stelle Witwe Moellenbeck, an 7. Doktor Windel.

Aus der Ehe des Dr. Windel mit Doris Moellenbeck stammten 2 Söhne: August, geboren 1807, und Karl, geboren 1808. Nach dem Tode ihres Mannes zog die „Doktorin“ Windel, wie sie bis an ihr Ende genannt wurde, ins Elternhaus zu Mutter und Bruder. Als sehr tatkräftige und entschlossene Frau nahm sie die Geschäfte der Brauerei in die Hand. Wie erzählt wird, fuhr sie selbst auf das Land, um Vieh zur Mast einzukaufen. Die beiden Söhne August und Karl besuchten in Salzwedel das Gymnasium. Sie waren beide von ihrer Mutter für kaufmännische Berufe vorgesehen. August sollte die Brauerei übernehmen, während Karl nach seiner Schulzeit nach Hamburg ging, wo er in dem Exportgeschäft „Westphalen“ lernte und später weiter arbeitete. Ein Unglücksfall des Sohnes August — er stürzte in Schwerin bei einer Hoffestlichkeit von der Tribüne — machte die Pläne der Mutter zunichte. August starb im Februar 1832 an den Folgen dieses Sturzes. So mußte der 2. Sohn Carl, wenn auch gegen seinen Willen, nach Dannenberg kommen, um das Erbe seines Großvaters anzutreten. Es wird erzählt, daß Carl recht ungern aus seiner ihm zusagenden Tätigkeit in Hamburg fortgegangen ist, und daß es schwerer Kämpfe mit der eigenwilligen Mutter bedurfte, ihn von der Notwendigkeit des Schrittes zu überzeugen. In dieser Zeit wird der Grund zu dem harten Sinn gelegt sein, der Carl Windel Zeit seines Lebens nicht verlassen hat. An Tatkraft fehlte es ihm nicht. Bald nach der Geschäftsübernahme kaufte er das Nachbarhaus Nr. 59 zu seiner Besitzung hinzu. Er vergrößerte dadurch nicht unwesentlich den sehr engen Brauereihof, der — von Wassergraben und Mühlenjeetzel begrenzt — keine andere Ausdehnung erfahren konnte.

Carl Windel heiratete die Tochter Betty des Oberkommissärs Grepe aus Hassel und hatte aus dieser Ehe 2 Kinder. Der Sohn starb im frühen Kindesalter, die Tochter Marie heiratete später den Sanitätsrat Dr. Rüppel in Dannenberg.

Am 14. Dezember 1838 entstand am frühen Morgen Feuer im Hause Lange Straße 58 in der zu jener Zeit noch primitiven Holzdarre. Das ganze Gebäude und der größte Teil des Hauses Lange Straße 59 wurden ein Raub der Flammen. Im Jahre 1839 ist ein neues Haus anstelle der beiden abgebrannten gesetzt worden, und in dieser Form ist es bis auf den heutigen Tag erhalten.

Nach dem frühen Tode seiner Frau Betty heiratete Carl Windel in zweiter Ehe Wilhelmine Flügge aus Lüchow. Tochter des Brauerei- und Brennereibesitzers Dietrich Flügge und seiner Ehefrau Katharina Elisabeth, geb. Brünger. Am 11. Januar 1844 wurde ihnen der Sohn Carl geboren, dem 4 Jahre später eine Tochter Betty folgte. Letztere verheiratete sich später mit dem Rechtsanwalt Dr. Wedemeyer in Hameln. Wilhelmine Windel ist von fröhlicher, munterer Gemütsart gewesen, sie hat ganz ihrer Familie und dem Geschäft gelebt.

Noch vor Beendigung des Neubaues starb im Marz 1839 Margarete Elisabeth Moellenbeck, die Großmutter des Carl Windel. Ihrer Tochter, der „Doktorin“ Windel, blieb es vergönnt, noch fast 30 Jahre im neuen Hause zu leben. Sie starb im März 1867 im hohen Alter.
Wenngleich Carl Windel der Ältere nie großes Interesse für seine Brauerei aufzubringen vermochte, so ist es doch sein Verdienst gewesen, eine umfangreiche räumliche Erweiterung seines Betriebes durchgeführt zu haben. Außer manchen Ländereien kaufte er im Jahre 1868 am sogenannten kleinen Garten das Haus von Schuster Heinrich Deppe. Im Jahre 1890 fügte er das seiner Besitzung benachbarte Haus des Bäckers Koester durch Ankauf hinzu. Der Sohn Carl war von klein auf zur Weiterführung der Brauerei ausersehen. In Hannover erhielt er die theoretischen Kenntnisse im Gärgewerbe und in der Landwirtschaft, die ihm in späteren Jahren dienlich sein sollten. Nach zweijähriger Studienzeit in Hannover folgte eine gründliche landwirtschaftliche Lehre auf der Domäne Oldenstadt. Die praktische Ausbildung als Brauer erhielt Carl Windel in den Jahren 1866—1868 in der städtischen Lagerbier-Brauerei in Hannover. Im Anschluß hieran war er noch als Volontär in einer Wiener Brauerei tätig. Nach Dannenberg zurückgekehrt, wandte er die so erworbenen Kenntnisse im väterlichen Betriebe an. Die Brennerei wurde auf Grund neuester Forschung verbessert und der bislang obergärigen Brauerei eine Lagerbier-Brauerei angegliedert. Im engsten Gedankenaustausch mit seinem Onkel, Friedrich Klappenbach aus Uelzen, seinem späteren Schwiegervater, brachte er dieses Werk zustande. Ein wohlschmekkendes Lagerbier ist seit der Zeit aus der Brauerei C. Windel hervorgegangen.

Freilich waren die Anfänge zunächst recht bescheiden. Zu dieser Zeit war bei den Bauern der Einkauf ihrer Waren noch anders als heute. Damals kam der Bauer meistens, von seiner Frau begleitet, an Markttagen im hohen, federlosen Kastenwagen in die Stadt, um seine Erzeugnisse, wie selbstgezogenes Vieh, Leinen und Hopfen und dergleichen anzubieten. Als Gegenwert nahm er von den Kaufleuten der Stadt seinen Bedarf an Kolonial- und Manufakturwaren mit und von den Brauereien Bier und Branntwein. Aufs Land brachte die Firma Windel ihre Erzeugnisse noch im kleinen verdeckten Bierwagen. Schwere alte Reiterpistolen sind jetzt noch im Waffenschrank der Familie vorhanden, den Bierfahrern auf Überlandfahrten zum Schutze in unruhigen Zeiten. Auf der Hausdiele standen große Fässer, aus denen sich die Bauern und Bürger das Braunbier in mitgebrachte Gefäße zapfen ließen. Daher rührt heute noch die Schankgerechtsame für das Haus Lange Straße 25 (früher Nr. 58).

Für das Braugewerbe erwähnenswert ist noch, daß sich der Hopfenbau und -handel in Dannenberg entwickelte und im Jahre 1863 auch der Hopfenbauverein Dannenberg gegründet wurde, dessen erster Vorsitzender der Pastor Tangers in Breselenz und dessen Schriftführer der Buchdruckereibesitzer Esmarch in Dannenberg war. Dieser Verein hat durch Vorträge, Schriften u. verschiedene Ausstellungen von Hopfen und Garten-Früchten auf dem Schützenhause segensreich für unsere Gegend gewirkt.

Im Jahre 1875 heiratete Carl Windel der Jüngere die Tochter Auguste des Brauerei- und Brennereibesitzers Friedrich Klappenbach aus Uelzen und seiner Ehefrau Luise, geb. Flügge aus Lüchow. Im Juli 1876 wurde ihr erster Sohn Albrecht geboren und im Oktober 1877 der zweite Sohn August; ihnen folgte eine Tochter Luise, später verheiratet mit dem Regierungslandmesser Adler in Uelzen, und der dritte Sohn Friedrich.

Leider stellte sich bei Carl Windel dem Jüngeren frühzeitig ein für damalige Zeit unheilbares Nierenleiden heraus, dem er nach einigen Jahren schwersten Leidens im November 1888 zum Opfer fiel. Er erreichte nur ein Alter von 44 Jahren und doch war seine Tätigkeit von schönstem Erfolge gekrönt. Die Brauerei war völlig umgestaltet, Brennerei und Landwirtschaft waren in bester Ordnung. Nach seinem Tode kam für die neu eingerichtete Lagerbierbrauerei eine ernste Krise. Eigentümer des Anwesens war noch immer der jetzt 80jährige Vater, der dem erweiterten technischen Betriebe nicht mehr gewachsen war. Auf die Führung durch fremde Kräfte angewiesen und bei oft mangelnder Einsicht des zu alten Chefs schritt der Betrieb für einige Jahre nicht mit der Zeit und ihren vielen Neuerungen gerade auf brautechnischem Gebiete. Im Jahre 1898 starb der Senator Carl Windel, fast 90 Jahre alt; er hatte in seinem Leben keine Krankheit kennen gelernt. Dem Magistrat der Stadt Dannenberg hat er über 40 Jahre als Mitglied angehört, und er hat insbesondere tatkräftig mitgeholfen, das Hochwasserunglück von 1888 zu mildern, auch veranlaßte er, daß Eleonore Prochaska ein würdiges Grabmal auf dem St. Annen-Friedhof erhielt, und daß der Körner-Stein aufgestellt wurde.

Nach seinem Tode mußten seine beiden Enkel Albrecht und August das Werk ihres Vaters fortsetzen. Nach Besuch der Realschule in Grabow in Mecklenburg wurde Albrecht Windel Brauer und August Landwirt. Albrecht trat bei seinem Onkel Dietrich Rose in Grabow in die Lehre. Im Anschlusse an seine Lehrzeit ging er als Volontär in gutgeleitete Brauereien in Dortmund, Erfurt und Uelzen. Ein Besuch der Versuchs- und Lehrbrauerei an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin schloß seine Ausbildungszeit ab. August Windel erlernte die Landwirtschaft bei dem äußerst tüchtigen Domänenpächter Schmidt in Quarnstedt bei Gartow. Auch seiner Lehrzeit schloß sich eine Volontärzeit auf Gütern in Holstein, Brandenburg und Lippe-Detmold an. Kaum mündig geworden, fiel den beiden Brüdern die schwere Aufgabe zu, Versäumtes der letzten zehn Jahre wieder nachzuholen. Ein gründlicher Umbau des ganzen technischen Betriebes mußte vorgenommen werden, doch blieb ihrem rastlosen Schaffen in guter Zusammenarbeit der Erfolg nicht versagt. Von Jahr zu Jahr vergrößerte sich der Umsatz.

In den ersten Jahren ihres Wirkens wurden die Gebrüder Windel nicht unwesentlich unterstützt durch die reiche Erfahrung ihrer klugen, warmherzigen Mutter, die sich in Stadt und Land größter Zuneigung erfreute. Manche Bauern kamen mit ihren häuslichen Sorgen zu ihr und fanden Rat und Hilfe. Manch junges Mädchen vom Lande, deren Eltern Beziehungen zur Firma C. Windel unterhielten, ist für ein Jahr durch die gute Lebens- und Haushaltungsschule dieser Frau gegangen. Wo sich in der Stadt Not zeigte, war sie helfend zur Stelle. Im August 1906 ging Auguste Windel zur letzten Ruhe ein, nach einem Leben reich an Sorge und Arbeit.

Im Jahre 1905 verheiratete sich August Windel mit der Tochter Elisabeth des Rittergutsbesitzers Kleine aus Musternick bei Glogau. Aus dieser Ehe stammen 3 Töchter, von denen 2 verheiratet sind. Albrecht Windel ehelichte 1910 die Tochter Hedwig des verstorbenen Kaufmanns Lembke aus Oldenburg. Die Ehe blieb kinderlos.

Bis zum Beginn des Weltkrieges ging der Aufstieg der Firma unaufhaltsam weiter, doch dann kam die große Stockung. Die Brauerei erlitt durch Rohstoffmangel größte Beschränkung, und die Brennerei kam bald zum gänzlichen Erliegen. Nun galt es für die Inhaber, Wege zu finden, ihren Betrieb soweit aufrecht zu erhalten, daß das Werk ihrer Väter am Leben bleiben konnte und ihrem Personal Arbeitsmöglichkeit verblieb. Nachdem beide Brüder von zuständiger Seite darum gebeten waren, ihre Kenntnisse der gefährdeten Volksernährung damaliger Zeit zur Verfügung zu stellen, taten sie schwere Jahre hindurch auch hierbei getreulich ihre Pflicht.

Albrecht Windel hat mehrere Jahre im Bürgervorsteherkollegium und nachher im Magistrat der Stadt Dannenberg als Senator segensreich gewirkt, wogegen August Windel sich durch seine rastlose Tätigkeit als Vorsitzender des „Landwirtschaftlichen Vereins“ einen Namen gemacht hat. Viele Jahre hindurch war er Kreisdeputierter des alten Kreises Dannenberg und hat als solcher die Belange unseres Heimatkreises eindringlich vertreten.

Nach Beendigung des Krieges und der sich anschließenden Inflationszeit wurde zunächst der Brauerei größte Sorgfalt gewidmet, und beide Inhaber waren ständig bemüht, ihren Arbeitern gute, geräumige und praktische Wohnungen zu verschaffen. Dieses ist ihnen, wenn auch oft unter Opfern, in bester Weise gelungen. Teils wurden ältere Gebäude angekauft und durch Umbau ihrem Zwecke zugeführt, teils wurde neu gebaut. Der Umfang des Geschäfts vergrößerte sich wieder von Jahr zu Jahr. Es war nicht mehr der Geschäftsbetrieb von einst. Eine umfangreiche Herstellung von alkoholfreien Getränken und ein Weinhandel schlossen sich dem alten Betriebe an.

Im April 1926 erlag leider plötzlich der ältere der Gebrüder einem Herzleiden, das ihn seit einigen Jahren schwer gequält hatte, im Alter von 50 Jahren. Schwer war die Last von Arbeit und Verantwortung, die auf August Windeis Schultern verblieb. Mit der ihm eigenen Energie konnte er noch 10 Jahre hindurch segensreich schaffen. Er richtete die im Kriege lahmgelegte Brennerei wieder ein, vergrößerte den landwirtschaftlichen Besitz und baute den Gesamtbetrieb in großzügiger Weise aus. Um das Wohl seiner Arbeiter und Angestellten war er dauernd besorgt wie um seine eigene Familie. Die Gefolgschaft der Firma hat es ihrem letzten Chef auch über seinen Tod hinaus mit großer Treue gedankt. Im August 1936 wurde auch August Winde! zur letzten Ruhe gerufen; auch er hatte in den letzten Jahren seines Lebens schwer mit einem Herzleiden zu kämpfen. Seit dem Tode ihres Mannes hat Frau Elisabeth Windel die Führung des Geschäfts in die Hand genommen.

Das Dannenberger Braugewerbe ist im Laufe der Jahrhunderte von der Menge seiner Betriebe abgekommen. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich übrigens auch in den Orten der weiteren Umgebung. Die Windel‘sche Brauerei darf indessen dank dem zähen Durchhalten ihrer Betriebsführer und der Treue ihrer Mitarbeiter, von denen mancher Jahrzehnte bei der Firma verbrachte, den Jubeltag des 200jährigen Bestehens mit Stolz feiern. Heute ist die Brauerei Windel mit ihren Nebenbetrieben das größte Wirtschaftsunternehmen in Dannenberg. Gefolgschaft und Geschäftsführung zeigen, daß sie eins sind in dem Bemühen, den Betrieb im Gedenken an die Vorfahren auf der erreichten Höhe zu halten."
Herkunft:  Peter  Wentzel
Archiv-ID: 20399
Kommentare
Torsten Schoepe 19.04.2025
Zu der Chronologie der Eigentümer haben wir einen jetzt einen langen Bericht zum 200-jährigen Jubiläum der Brauerei Windel aus dem Jahr 1938 veröffentlicht.
Kommentar hinzufügen
 Mit dem Speichern des Kommentars bin ich mit den Datenschutzbestimmungen einverstanden.